„Gott sei Dank, du bist wieder da!“
„Gott sei Dank, ich bin endlich angekommen!“
Braun gebrannt war Maria vom langen Weg in der Sonne, und ihr Kleid sah staubig aus. Insgesamt wirkte sie ein bisschen runder. Verstohlen schaute ich auf ihren Bauch.
„Nein, da ist noch nicht viel zu sehen“, lachte sie – „aber das wird wohl bald! – Hier, mein Lieber, ich hab dir was mitgebracht!“
Aus den Falten ihres Umhangs holte sie ein Paar nagelneuer Sandalen: Robustes Leder, sorgfältig genäht.
„Wunderbar – ich danke dir!“ Meine eigenen Sandalen waren alt und ziemlich ramponiert, est recht seit meiner Reise nach Kapernaum im Frühjahr. „Sind die von den Händlern, mit denen du weg gezogen bist?“
Sie nickte. „Am Ende unserer Reise durfte ich mir was aussuchen, als Dank, weil ich ihnen unterwegs geholfen habe. Ich hätte Verkaufstalent, meinte Matthias – das ist der Sandalenhändler! Er und seine Frau waren wirklich nett zu mir – fast als wäre ich ihre Tochter!“
Ich stellte mir vor, wie sie lachend und fröhlich Sandalen anpries.
„Ich habe dich so vermisst …“
„Ich dich auch – aber ich konnte Tante Elisabeth doch nicht einfach im Stich lassen, kurz bevor sie ihr Kind bekam!“
„Und jetzt ist es also da?“
Ihr Blick wurde ganz versonnen: „Ja, zur Sonnenwende ist er geboren. Johannes heißt er – Ach Josef, ich möchte gern so viel erzählen: dir und auch meinen Eltern. Bei denen war ich noch gar nicht; ich wollte als erstes zu dir! Möchtest du nicht mit zu ihnen kommen?“
Bevor wir gingen, zeigte ich ihr den neuen Stall. Unterwegs erzählte ich von meiner Wanderung an den See, und dass Deborah demnächst Simeons Frau würde – worüber sich Maria sehr freute.
„Also dass diiie sich noch mal hierher traut …“
„Und kuckt euch das an – jetzt hat sie den Josef doch tatsächlich wieder um den Finger gewickelt!“
Ich wünschte, Maria hätte sich das nicht anhören müssen! Ich wünschte, auch ich müsste es nicht schon wieder anhören …
„Maria – mein Kind!!!!!!“ Mit ausgebreiteten Armen kam uns Anna entgegengelaufen, Joachim folgte ihr. „Esther hat mir schon gesagt, dass du gekommen bist!“ Die Freudentränen flossen, als die Eltern Maria umarmten.
„Lass dich anschauen – wie geht es dir? Bist du gut wieder zurück gekommen? Und wie geht es überhaupt Tante Elisabeth und Onkel Zacharias? Du hast doch bestimmt Hunger!“
Zuhause tischte Anna alles auf, was die Vorratskammer zu bieten hatte. Frische Aprikosen waren auch gerade reif.
Maria zog ein sauberes Kleid an, und Joachim sprach ein Dankgebet, dass sie wohlbehalten wieder da war, dann setzten wir uns an den Tisch.
„Also, ich soll euch natürlich ganz herzlich von Tante Elisabeth und Onkel Zacharias grüßen!“, erzählte Maria und angelte sich ein paar Oliven. „Besonders die Tante hat war richtig froh, dass ich kam. Dabei hatten wir uns doch jahrelang nicht gesehen – wie lange ist das her, dass wir mal alle zusammen zu Pessach in Jerusalem waren?“
„ Acht Jahre, glaube ich. Oder neun?“, überlegte Joachim. „Jedenfalls warst du da noch ein kleines Mädchen!“
„Deswegen war ich auch überrascht, wie freudig sie mich begrüßt hat! Und irgendwie wusste sie sofort, dass ich schwanger bin – ich meine, das war vor drei Monaten, da war ja wirklich noch nichts zu sehen!“
„Hatte sie vielleicht auch Besuch von Gabriel?“
„Sie nicht, aber Onkel Zacharias. Das hat er allerdings erst später erzählt, weil – also könnt ihr euch das vorstellen? Er hat während ihrer ganzen Schwangerschaft kein Wort gesprochen – irgendwie hat ihm das die Sprache verschlagen!“
„Dann ist ja klar, dass Elisabeth sich über Besuch gefreut hat!“ Anna schenkte ihr noch Ziegenmilch nach.
„Ja sicher – aber es war noch irgendwas anderes. Sie sagte, sie hätte einfach gespürt, dass ich die Mutter von Gottes Sohn werden soll – und das Kind in ihrem Bauch auch! Das klingt verrückt – aber was ich erlebt habe, ist ja genau so verrückt! Und bei ihr war ich jedenfalls sicher, dass sie mich verstand!“
Wie lange schien das für mich her zu sein, dass ich an Marias Worten gezweifelt hatte!
Sie träufelte Öl auf ihr Brot und erzählte weiter:
„Und dann wurde mir plötzlich klar, wie großartig das alles von Gott ist: Ausgerechnet ich darf den Messias zur Welt bringen. Stellt euch mal vor: Davon werden die Leute noch in Jahrhunderten und Jahrtausenden reden!“
Irgendwie kam mir das bekannt vor. So was hatte ich schon mal von Maria gehört …
„Also, wenn ich für Gott wichtig genug bin, so einen Auftrag zu bekommen“, fuhr Maria fort, „dann kann ich auch darauf vertrauen, dass Gott mit aller Ungerechtigkeit Schluss macht. Das konnte ich nicht mehr für mich behalten, ich habe ein richtiges Lied draus gemacht: Gott entthront die Gewaltigen und verhilft Unterdrückten zu ihrem Recht. Die Hungernden bekommen reichlich …“
„… und die Reichen gehen leer aus!“, beendete ich ihren Satz.
„Ja, ganz genau!“ Sie sah mich mit großen Augen an. „Woher weißt du das?“
„Das kommt mir auch ein bisschen rätselhaft vor – aber, Maria: ich habe dein Lied gehört! Im Traum, als ich in Kana war! Und fröhlich gelacht hast du!“
Auch jetzt lachte sie. „Das hatten wir doch schon mal: Für Gott ist nichts unmöglich!“
„Na ja – was du sagst, klingt so, als stellte Gott die Welt auf den Kopf!“, brummte Joachim.
„Ach was, Papa: Jetzt steht die Welt auf dem Kopf, mit all dieser Ungerechtigkeit und so! Das kann Gott doch nicht wollen – er räumt dieses Durcheinander auf! Übrigens hat Onkel Zacharias Gott ganz ähnlich gelobt, als Johannes seinen Namen bekam …“
„Johannes – ist das Elisabeths Kind?“, wollte Anna wissen.
„Genau. Und als er seinen Namen bekommen hatte – da konnte Onkel Zacharias plötzlich auch wieder reden. Er ist sicher, Johannes wird mal ein großer Prophet!“
„Prophet, Messias – das ist ja schon ziemlich ungewöhnlich, was in eurer Familie gerade für Kinder auf die Welt kommen! Aber du hast recht: inzwischen finde ich es auch wunderbar, dass ich der Vater für dein Gotteskind werden kann!“
„Aber vorher ist noch Hochzeit!“, erklärte Anna.
Joachim nickte: „Was meint ihr: Wäre der nächste Vollmond ein guter Termin dafür?“